Wie der Balkon von der Bühne zum Rückzugsort wurde

Sanierter Balkon
Ein sanierter Balkon lädt zum Verweilen ein - Foto: elenathewise / depositphotos.com

Je wärmer die Sommer hierzulande werden, desto wichtiger werden Rückzugs- und Erholungsangebote in Stadtgebieten. Freibäder, Seen, Parks und Kleingartenparzellen sind heutzutage wichtige Refugien der Öffentlichkeit und beeinflussen nicht nur auf die Lebensqualität der Bürger, sondern auch die Preise umliegender Immobilien positiv. Wer jedoch weite Wege bis zur nächsten Grünanlage zurücklegen muss, freut sich über einen eigenen Balkon. Je nach Größe können dort bequeme Sitzmöbel aufgestellt und Gemüse angepflanzt werden, die angenehmen Schatten spenden und ein Gefühl von Natur transportieren.

München: Beste Lebensqualität im internationalen Vergleich

Städte wie München, die über ein überdurchschnittliches Verhältnis von Grün- zu Stadtfläche verfügen, sind deshalb nicht grundlos ein attraktives Zuzugsziel. Die Anziehungskraft der Bayerischen Landeshauptstadt lässt sich dabei an mehr festmachen als an mia san mia: Erst im März bescheinigte eine Beraterfirma der Weltstadt mit Herz einen Spitzenplatz im internationalen Vergleich der Städte mit der höchsten Lebensqualität. München stellt damit neben Vancouver und Auckland eine der drei begehrtesten Destinationen für ins Ausland entsandte Arbeitskräfte dar. Neben der niedrigen Kriminalitätsrate und stabilen sozialen und politischen Verhältnissen wurde sich auch dank der guten Infrastruktur und den Erholungsmöglichkeiten von der weltweiten Konkurrenz abgesetzt.

Balkone heute: Lebensqualität für die breite Masse

Heute besitzen über 50 Prozent der Bevölkerung einen Balkon oder eine Terrasse. Doch viele davon haben eine jahrzehntealte Bausubstanz. Entsprechend haben sie oftmals mit Alterserscheinungen wie Wasserdurchlässigkeit zu kämpfen und lassen das luxuriöse Gefühl früherer Zeiten vermissen. Immobilienbesitzer und Wohnungsbaugenossenschaften lassen deshalb vermehrt Balkonsanierungen in München durchführen und steigern so nachhaltig den Bestandswert. In Zeiten hoher Mietpreisniveaus liefern attraktive Außenflächen an Wohnimmobilien einen signifikanten Mehrwert für gestresste Städter.

Die Geschichte des Balkons: Bis ins 19. Jahrhundert Refugium der Oberschicht

Doch dass der heutzutage oft als selbstverständlicher Alltagsluxus wahrgenommene Balkon einer breiten Schicht normaler Bürger zur Verfügung steht, ist aus historischer Sicht betrachtet ein absolutes Novum: Die überwiegende Zeit in der Geschichte der Menschheit waren Balkone fast ausschließlich Adligen, Herrschern und Wohlhabenden vorbehalten. Statt Lilien und Küchenkräutern fanden zu Zeiten der Römer dort fast ausschließlich Würdenträger Platz, die mit den luxuriösen Anbauten eine deutliche Botschaft sendeten: dort unten auf der Straße der Pöbel, hier oben wir, die Privilegierten. Balkone waren begehrte Luxusobjekte, auf denen Könige und Präsidenten sich für das Volk inszenierten.

Alte Wandmalereien belegen, dass nicht nur die Römer bereits in überdachten Balkonen logierten. Auch in Indien entspannte man bereits früh an der Außenseite der eigenen vier Wände: Hinter prunkvoll verzierten Holzgitterkonstruktionen schützte man sich in illustrer Gesellschaft vor der heißen Mittagssonne. Im Orient bot der Balkon den damaligen Frauen hingegen eine Möglichkeit zur Teilhabe am öffentlichen Leben.

Industrialisierung: Balkone als Nutzflächen für die Arbeiterschicht

Mit der stärkeren Einflussnahme des osmanischen Reichs in der Mittelmeerregion vermischte sich auch die dortige mit der neuen Architektur. Trotzdem blieben die schmucken Fassadenverzierungen, die sich auch bereits im Italien des 16. Jahrhunderts fanden, noch lange Zeit der Oberschicht und dem Adel vorbehalten. Die Popularisierung des Balkons fand letztlich erst im 19. Jahrhundert statt, als die Schicht des Bürgertums wohlhabender wurde und vermehrt in die Städte zog. Die in den Jahrhunderten davor oft immense Geruchsbelastung auf den Straßen der Städte war ebenfalls ein Faktor, weshalb Balkone besonders in urbanen Gegenden schlichtweg unpraktikabel waren. Infolge der Industrialisierung kamen jedoch mehr und mehr Teile der Bevölkerung in den Genuss eigener Balkone, auch wenn er damals nur im entferntesten Sinne zur Entspannung gedacht war. Viel mehr nutzten Bewohner die gewonnene Außenfläche zur Vorratslagerung und als Wirtschaftsraum. Auch deshalb verfügten die ab dem 19. Jahrhundert vielfach gebauten Arbeitersiedlungen in Deutschland auch früh über Balkone, mit denen die tristen Außenfassaden aufgewertet wurden.

Rekordsommer 2019: Urlaub auf Balkonien statt Mittelmeer?

Die Geschichte des Balkons zeigt exemplarisch auf, wie viel Zeit vergehen kann, bis – heute als selbstverständlich empfundene – Annehmlichkeiten der früheren Oberschichten für eine breite Bevölkerungsschicht erschwinglich werden. Laut Umfragen wird das einstige Luxusobjekt dieser Tage nur noch von zwölf Prozent der Befragten genutzt, um Eindruck bei Bekannten zu schinden. Statt staatstragender Reden schwingen Balkonbesitzer heute vor allem Grillzange und Gartengeräte. Auch vor dem Hintergrund des CO²-Ausstoßes ist eine hohe Balkonquote in der Bevölkerung als positiv zu bewerten: Wer die Entspannung im eigenen Heim findet, baut in Zeiten aufeinanderfolgender Rekordsommer auch im Urlaub auf Balkonien eine gesunde Sommerbräune auf.